Renao mit Parkorchester 🎧

„Sie sind im Alltag so präsent, die alten Leute“, war das Resümee von Freunden nach einer gemeinsamen Reise durch China, „so selbstverständlich, ja geradezu selbstbewusst sind sie auf den Straßen und in den Parks zugange.“

Stille und Abgeschiedenheit im chinesischen Park? Bloß nicht. Die chinesischen Parks gehören den Senioren und das kann man deutlich hören. Rè nao* ist angesagt und wird von allen hingebungsvoll praktiziert. Während sie an einer Ecke zu übersteuerter Boxen-Musik zum Tai Chi ausholen, kleine Opern aufführen, Walzer tanzen oder an Reckstangen rotieren, greifen andere zum Erhu oder singen. Fasziniert verfolgt unser acht Nasen zählender Trupp, wie sich die chinesischen Senioren zu kompletten Parkorchestern zusammenfinden, vor ihrem Publikum los musizieren und dabei eine beeindruckende Virtuosität hinlegen.

热闹 rè nao (heiß + Lärm)

Das ist der chinesische Ausdruck für „belebt, viel los“. Ruhe ist den meisten Chinesen heute wesensfremd. Böse Zungen behaupten, dass das Chinesische die einzige Sprache sei, die man nicht flüstern kann. Tja.

Wenn der Künstler am Ton vorbei schrammt …

China auf die Ohren: Improkonzert und Kakophonie am Musiktempel

… dann muss man da als Zuhörer durch. Dissonantes Getöse stört die Akteure keineswegs, die absolvieren ihr Programm und das bis zum letzten Ton. Die aufgenommene Szene entstand auf dem Kohlehügel in Peking. Im Pavillon führt ein älterer Herr seinen Bogen über die zwei Saiten seiner Erhu. Die Sänger wechseln. Ein am Rand des Tempels sitzender Zeitungsleser springt plötzlich auf und – da singt er auch schon los.

Im letzten Drittel des Mitschnitts hört ihr das ganze dissonante Durcheinander im Park. Was soll ich sagen: Haltet durch. 03:36 min lang.  🙂

Der ‚Meister der Töne‘:
Axel. (Danke für Aufnahme, Schnitt & Co von unserer Reise)

10 thoughts on “Renao mit Parkorchester 🎧”

  1. Durchgehalten 🙂 und eine frage. Ich habe letztens in einer Zeitung gelesen, dass es den Älteren in China nicht so gut gehen soll. Wegen der Ein-Kind-Polituik werden die Jüngeren immer weniger und die Alten können nicht betreut werden. Altenheime sind in der chinessischen Kultur sehr umstritten, es gibt wohl auch nicht genügend Plätze??? Ist das so?

    1. Hallo Katha,
      eine sehr komplexe Frage und bei der Größe Chinas wird es wohl auch kaum eine generelle Aussage geben können. Ich kann da nur aus meinen Erfahrungen berichten und wage mich in den nächsten Tagen mal ran an die Materie.
      Bis bald dann.

  2. Hallo, ich habe der Fremdheit bis zum Ende gelauscht.
    So ein bisschen war ich ja vor gewarnt, ich habe schon mal Sequenzen einer Peking- Oper „genossen“.
    Mir fällt zu den Parks in China ein TV- Bericht über einen professionellen „Ohr- Reiniger“ ein. Eine ungewöhnliche Dienstleistung. ,-)
    Die chinesischen Parks scheinen aber auch grundsätzlich anderen architektonischen und sozialen Anforderungen zu genügen, als die in Europa. Mir fällt zumindest kein deutscher Park ein, in dem eine Tanzfläche angelegt wäre.
    Aber ich bin jetzt auch nicht der Landschaftsgärtner, es ist also eher meine Meinung.
    So ein Platz für „alte Knochen“ wünschte ich mir auch in Deutschland.

    Grüße

    1. Vorgewarnt ist gut. Ist schon gewöhnungsbedürftig, auch die Peking-Oper. Da könnte ich auch mal mit einer Audio-Spur nachlegen. Die Parkkonzerte fand ich wiederum sehr, sehr schön. … Hach, der Ohrreiniger. Zu meinem Entsetzen ist das fester Bestandteil eines Frisörbesuchs. Muss man wissen und – mögen. 😉

      Zu den Gärten gibt es eine Menge zu erzählen. Es gibt die klassischen, wie die Literatengärten in Suzhou. Diese Gärten sind so ganz anders als unsere europäischen: weite Rasenflächen wird man vergeblich suchen, ebenso gerade Kieswege, bunte Blumenrabatten, Marmorgöttinnen, Springbrunnen und Parkbänke. Stattdessen gliedern Mauern, Wandelgänge, Felsen, Zickzack-Brücken, Teiche und Pavillons das Gelände, … die landschaftliche Vielfalt mit ihren Gegensätzen – Berge und Wasser – steht im Vordergrund. Alles hat seine Symbolik. … . Und dann gibt es die moderneren Varianten mit den Tanzflächen und Tempeln zum Musizieren oder für Tai Chi. Einfach mitmachen. Nächtliches Tanzen im illuminierten Park – das ist wunderbar.

      1. Jetzt wo ich deine Antwort lese, fällt mir wieder auch wieder ein, dass die Chinesen ja auch Feng shui haben.
        Welches wohl taoistischen Ursprungs ist, und ein völlig anderes „Raumkonzept“ präsentiert, als alles, was wir Langnasen kennen. Das war ja Anfang der 2000er Jahre kurzfristig auch hier hipp.
        Unsere „Landschaftsgärten“ werden eigentlich erst durch Abwesenheit von Menschen schön, sie sollten eine idealisierte Natur nachbilden.
        Sieht so aus als ob die Chinesen doch eher einen „alles einfassenden“/ harmonischeren Stil pflegen. Ying und Yang und so. Mir fehlen gerade die Begrifflichkeiten.

        Danke für deine schönen Spotlights aus einer uns fremden Kultur.

        Grüße

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