Momentaufnahme: Prozession auf dem First – chinesische Dachreiter | Update

Je länger die Prozession, desto bedeutender das Gebäude, auf dem sie entlang marschiert. Bis zu zwölf Figuren können sich auf den geschwungenen Enden der Dächer formieren: hintereinander reihen sich Löwen, Phönixe und Einhörner. Ein auf einem Huhn reitender Mann führt die Truppe stets an, an ihrem Ende kauert ein gehörnter Drache mit aufgerissenem Maul. Zwischen diesen beiden sammeln sich in variabler Anzahl die ‚Kinder des Drachens‘. Und auch der Dachfirst selbst wird an seinem spitz auslaufenden Ende scheinbar von einem Drachenkopf getragen.

Vorneweg – ein Feigling

Die Fabelwesen sind mehr als eine Verzierung, sie sollen nach chinesischem Aberglauben das Bauwerk vor bösen Geistern und Feuer bewahren. Sämtliche Figuren sind mythologischen Ursprungs, bis auf eine. Bei dem Reiter auf der Henne handelt es sich um Prinz Min von Qi (479 – 502). Der Mann soll ein Feigling gewesen sein und sein Volk im Krieg schmählich im Stich gelassenen haben. Seine Untertanen knüpften ihn später zur Strafe an der Dachkante seines Palastes auf. Auf dem Gratende der Dächer ist er auch heute noch der Lächerlichkeit preisgegeben, dicht am Abgrund und reitend auf dem Federvieh.

Zwölf – mehr geht nicht. Noch ein Fabelwesen mehr als auf der Tempel-Dachspitze in der Verbotenen Stadt in Peking (siehe Eingangsfoto) hockt auf dem Gratende des Daches der Halle der Höchsten Harmonie. Sie ist neben der Haupthalle des Chang-Grabes das einzige Gebäude Chinas mit zwölf Dachreitern.

Weiterführender Link:
Steinbach, Axel: Die Dachreiter in China

5 thoughts on “Momentaufnahme: Prozession auf dem First – chinesische Dachreiter | Update”

  1. Hallo,
    ich könnte mir vorstellen das die Figuren nicht nur einen schmückenden Charakter haben, sondern auch eine Funktion. Letztens gab es eine Reportage über die Holzbaukunst in der verbotenen Stadt. Leider erinnere mich nicht mehr an den Titel, müsste ARTE gewesen sein.
    Jedenfalls wurde erklärt das die Dachkonstruktionen in einer unglaublichen „Verzahnungstechnik“ hergestellt wurde, und sich dadurch in sich selbst äußerst stabilisierte. Als Reaktion auf Erdbeben konnten die Erbauer dank dieser Technik darauf verzichten ihr Ständerwerk fest mit dem Boden zu verbinden.
    Die Gebäude haben kein Fundament wie es in Europa gängig ist, sondern die „Säulen“ können sich bei einem Erdbeben frei bewegen und werden nur durch die komplizierte Dachkonstruktion „geklammert“, zusammen gehalten. Ich könnte mir vorstellen das der „Zierrat“ ein zusätzlichen Gewicht auf die Konstruktion bringt.

    Wenn ich noch wüsste wo ich das gesehen habe. 🙁

    Liebe Grüße

    1. Holzbaukunst. Das ist ein eigenes Thema. Und ein spannendes. Als wir mit unseren Freunden durchs Land tourten war auch eine Bau-Ingenieurin dabei, … . Heute hier nur kurz, bin auf dem Sprung und dann für zwei, drei Tage (fast) offline. 🙂

      1. Es existiert wenig deutschsprachige Literatur zu chinesischen Dachreitern. Eine Link-Sammlung zum Thema hat Axel Steinbach zusammengestellt. Wer mag, kann ihm auch neuere Erkenntnisse und Publikationen senden.

  2. Ich habe eine sehr alte chinesische Bronze Figur. Ein Reiter auf einer dreibeinigen Kröte. Etwa 17 cm lang und 15 cm hoch. Hohl und etwa 700 Gramm schwer. Ich halte es für einen Dachreiter.
    Kann mir jemand etwas genaueres darüber sagen ?
    ge-feil@t-online.de

    1. Hallo Gerhard,
      wir haben gerade in unserer chinesischen Familie diskutiert und vermuten, dass es sich bei Ihrer Figur um Jin-Chan-Zhao-Cai (chinesisch: 金蟾招财) einen Glücksbringer handelt, um eine Geld bringende dreibeinige Kröte. Nur der Reiter wirft Fragezeichen auf. Können Sie uns ein Foto senden an Pan-da(at)gmx-topmail.de?
      Herzlichen Gruß

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