Im Seniorenheim (für K.)

… Ich habe letztens in einer Zeitung gelesen, dass es den Älteren in China nicht so gut gehen soll. Wegen der Ein-Kind-Polituik werden die Jüngeren immer weniger und die Alten können nicht betreut werden. Altenheime sind in der chinessischen Kultur sehr umstritten, es gibt wohl auch nicht genügend Plätze??? Ist das so?“

K.

Diese Frage ist vor ein paar Tagen hier im Pan-da gestellt worden und ich muss gestehen, umfänglich beantworten kann ich sie nicht. Schon die Größe des Landes spricht dagegen, Ostküste versus Landesinnere, Stadt und Land, Wanderarbeiter und gebildete Mittelschicht, … es wäre anmaßend. Und nun? Berichte ich von meiner Familie, denn meine Schwiegereltern leben seit etwa acht Jahren in einem Seniorenheim in Shanghai. Sie entstammen der Mittelschicht und können sich die Miete von etwa 2000 Yuan (ca. 270 €) pro Monat leisten, immerhin eine komplette Rente.

Um es gleich zu sagen: die beiden fühlen sich wohl. Bevor sie ihre kleine Eigentums-Wohnung verkauften und letztlich hier einzogen, haben sie andere Altenheime getestet. Jetzt bewohnen sie eine 1-Raum-Wohnung mit Balkon, Küche und Bad in der vierten Etage. Sie können selbst kochen, draußen essen gehen, weil das Altenheim mitten im Wohngebiet liegt, oder die gute Küche auf dem Gelände besuchen. Überhaupt ist es eine Einrichtung mit Angestellten und Ärzten, die gut ist zu ihren Alten. Auf dem Gelände existiert eine Art Kulturzentrum: man kann am Flügel im Musikzimmer musizieren, im Zeichenraum hängen Kalligrafien, es existieren Sporträume, Spieltische für Mahjongg, chinesisches Schach und Go und – ein Karaoke-Studio.

Für uns selbst ist dieses Wohlfühlen der Eltern eine große Erleichterung. Wir sehen uns regelmäßig, telefonieren fast jedes Wochenende mit den beiden, sie sind beliebt im Heim, sind unglaublich selbständig, aber wir können nicht bei ihnen sein, wenn es kurzfristig erforderlich ist.

Fotos: Auch rund um moderne Anlagen – Zickzackbrücken; Das Seniorenzentrum besteht u.a. aus mehreren 4tagigen Wohnhäusern mit sauberen Fluren und grünen Innenhöfen, einer Mensa, einem Kulturzentrum und, brandneu, – einem Kricketplatz 🙂

5 thoughts on “Im Seniorenheim (für K.)”

  1. Hallo Yúnzhi,
    es ist immer wieder nett mit Dir zu plaudern.
    Dabei fällt mir mein garnicht so geringes Wissen/ Unwissen über China auf. „Hat man schon mal gelesen, hat man schon mal gehört“, oder so.
    Das ist wie der Mythos vom Hunde- und Katzenesser. Wenn man sich die letzten 200 Jahre Chinas anguckt, wird man wie bei vielen anderen „Völkern“ Zeiten extremer Not fest stellen müssen.
    Ob Opiumkrieg, oder der japanische Angriff in den frühen 30ger Jahren des 20. Jahrhunderts.
    Lieber schaut man ja heute auf die Fehlleistungen der Ära Mao Zedongs. „Der große Sprung“ oder die Ausrottung der Spatzen als“Staatsfeind“, also richtig klug kann er nicht gewesen sein.
    Was Mao Zedong jedoch tat, war die „Einrichtung“ der „Barfußärzte“. Scheinbar ein Kombination aus Sanitätern und chinesischer Medizin, die sich ihrerseits Allumfassend versteht.
    Ob das der Knaller war, weiß ich nicht.
    Vielleicht könnte dies ein neues Thema für Dich sein.

    Liebe Grüße

    1. Ach, der Mao. Das ist eine überaus widersprüchliche Materie. Und wie du schon richtig herausgefunden hast, hat erst Mao Zedong den Begriff der Traditionellen Chinesischen Medizin, kurz TCM, geprägt, wobei das ‚T‘ erst durch westliche Einflüsse hinzukam. Tja. Es sollte die bis dahin teilweise von Geisterglaube und Ahnenkult geprägte chinesische Medizin entmystifizieren und wohl auch systematisieren. Das Vorhaben ging jedoch gehörig nach hinten los: es kam gehäuft zu schweren Komplikationen, sodass dieses System der ländlichen Grundversorgung bald aufgegeben wurde. Hintergrund war wohl die schlechte medizinische Ausbildung der Barfußärzte. … Bei nächster Gelegenheit schaue ich mir die Sache mal genauer an, schließlich ist die Schwiegermama Ärztin. Überhaupt die halbe Verwandschaft.

  2. Da scheinen es deine Schwiegereltern gut getroffen zu haben.
    Solange Sie noch selbständig ihr Leben organisieren können ist ja auch alles gut.
    Hast du Informationen zu Demenz und Alzheimer in China?
    Und wie hoch ist die Alterserwartung im Reich der Mitte.
    Man liest immer wieder das die Japaner „uralt“ werden, bei guter Gesundheit. Kann man das auf die Generation deiner Schwiegereltern übertragen?
    Mittlerweile soll ja der zunehmende Wohlstand und die dadurch veränderte Ernährung („Mc. Doof“/ mehr Fleisch, westlicher Ernährungsstil) die Gesundheit der Chinesen negativ beeinflussen.
    Auch die negativen Folgen der Einkindpolitik sollen ja gerade deutlich zu spüren sein.
    Zu viele Männer, zu wenige Frauen, Knaben als Wunschkind etc., etc.

    Grüße bitte deine Schwiegereltern. Ich nehme an das Sie sich freuen werden, auch wenn wir uns völlig unbekannt sind, und wohl auch bleiben werden.

    Grüße

    1. Ja, sie haben es gut getroffen. Und die beiden haben sich umgeschaut, als sie noch sehr, sehr mobil waren. Das gab ihnen die Chance, auch dort zu verwurzeln, wo sie jetzt leben. Die beiden grüßen? Dann mache ich das mal. 😉

      Zu den Fragen: Die durchschnittliche Lebenserwartung für Chinesen wird bis 2020 nicht weniger als 77 Jahre erreichen. … Das hängt vermutlich von vielen Faktoren ab. Unsere Eltern mit ihren sechs bzw. drei Geschwistern sind sehr alt, die meisten werden weit über 80, manche über 90 Jahre alt. Das macht die Lebenseinstellung und – der viele grüne Tee. Sagen sie.

      Derweil will das Land auch ein standardisiertes medizinisches Testsystem für die Identifizierung von teilweise und ganz behinderten Senioren schaffen und ihnen auf der Grundlage der Testergebnisse gezielte medizinische Leistungen anbieten. Ma versprach bessere Gesundheitsdienstleistungen in den lokalen Krankenhäusern, um die Bedürfnisse bei der Seniorenpflege abzudecken. Quelle: http://german.china.org.cn/txt/2016-12/26/content_39984461.htm

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