Berlinale 2015: Beifall und Nachdenken über ein Tabu-Thema – Paradise in Service

Schauen sich die Berliner chinesische Filme an? Das Kino ‚International‘ im Berliner Zentrum ist am Freitagabend fast ausverkauft. Unser Trupp von sechs Chinesen stellt vielleicht ein Viertel der asiatischen Besucher, ansonsten sind es vor allem junge Langnasen in den Zwanzigern und Dreißigern, die gebannt das Geschehen verfolgen. Gut zwei Stunden lang ist es mäuschenstill im Saal. Als rechts neben mir jemand mit seiner Bonbontüte leise knistert, zischt eine Frau sofort um Ruhe. Zum Ende des Films gibt’s Applaus. Möglicherweise für den Mut, sich an ein heißes Eisen der jüngeren taiwanesischen Geschichte herangewagt zu haben: der Zwangsprostitution Tausender Frauen durch das taiwanesische Militär.

Handlung

Pao (Ethan Juan), ein 19-jähriger Taiwanese, wird 1969 zur Elite-Einheit ‚Sea Dragon‘ auf Kinmen (Quemoy) eingezogen. Die Insel ist ein gefürchteter Ort, denn nirgendwo liegen die beiden verfeindeten chinesischen Staaten so nah beieinander, wie an dieser Stelle. Ganze zwei Kilometer trennt die Insel vom Festland, von dem aus Maos Truppen Bomben und Flugblätter herüberschießen. In den Film montierte Archivaufnahmen helfen vor allem westlichen Zuschauern, das Geschehen einzuordnen*1.

Pao, der den körperlichen und psychischen Strapazen des militärischen Drills nicht gewachsen ist, wird versetzt. Der Codename seiner neuen Einheit ‚831‘ steht für halboffizielle Bordelle der Armee, mit deren Hilfe die zwangsverpflichteten Soldaten bei Laune gehalten werden sollen. Auch die Frauen sind nicht freiwillig in dem auch als Teehaus bezeichneten Freudenhaus. Sie sind Häftlinge, die so ihre zivilen Gefängnisstrafen umgehen.

Fazit

Zum Schluss also gibt’s erstens Beifall und zweitens vermutet einer meiner chinesischen Freunde mit einem Augenzwinkern, dass ich mehr verstanden haben könnte, als er selbst, denn zwei Drittel des Films lang wird Taiwanesisch gesprochen. Meine Freunde aber stammen aus Shanghai. Sie sind froh, dass es englische Untertitel gibt.

Großartig, ein Tabu-Thema angefasst. Schade, das Potential verschenkt. Vielleicht, weil sich der Regisseur für keinen der beiden Haupterzählstränge entscheiden mochte. Da sind die Armisten mit ihrer Vergangenheit, ihren Sehnsüchten und den Schikanen innerhalb der Einheit. Und da sind die Frauen, die sich prostituieren müssen. Bordelle beim Militär, das ist ihr Thema. Gedreht aus der Sicht dieser spannenden Persönlichkeiten hätte ‚Paradise in Service‘ dem Ansinnen des Themas gerecht werden können. So aber wird die Grausamkeit an den Zwangs-Sexarbeiterinnen zum einen zu unterhaltsamen Zwecken benutzt, so wenn eine der Frauen strickend auf ihrem Kunden sitzend ihre Dienste anbietet oder das Thema romantisch verklärt. Der kitschige Höhepunkt naht, als die beiden Verliebten, Pao und die Prostituierte Nini (Wan Qian), nachts durch ein Kornfeld mit Goldglitzer-Regen laufen.

Eckdaten

Originaltitel: Jun Zhong Le Yuan | 军中乐园
Taiwan 2014, 133 Min, Mandarin, Taiwanesisch, englische Untertitel
REGIE: Doze Niu Chen-Zer
DARSTELLER: Ethan Juan; Chen Jianbin; Wan Qian; Chen Yi-Han

*1 – Historischer Hintergrund: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs endete der chinesische Bürgerkrieg von 1927 bis 1949 zwischen der Kommunistischen Partei Chinas unter Mao Zedong und der Kuomintang unter Chiang Kai-shek damit, dass die Kommunisten die Kontrolle über das Festland übernahmen, während sich die Kuomintang auf die Insel Taiwan absetzten. Jahrzehntelang galt Kinmen als Sprungbrett der Militärs für eine Rückeroberung des Festlandes. Militärische Provokationen gab es von beiden Seiten. Seit einigen Jahren sind die beiden chinesischen Bruderstaaten entspannter und im Gespräch.

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